Warum Portwein?

Warum nicht! Irgendwo gab es keinen richtigen Start. Hier ein paar Fragen von Bekannten, dort ein Gespräch über Südweine. Eigentlich immer wieder ähnliche Fragen. Ein nicht mehr lieferbares Buch: >Portwein< von Axel und Bibiana Behrendt im Heyne Verlag. Ein gelöschter OT–Thread mit Antworten in einem Forum. Deswegen diese Einführung. Einfach eine gewachsene Sammlung a la FAQ, ohne Anspruch auf Vollständigkeit und tiefe Durchdringungung des Themas. Eben eine Einführung für Anfänger.

Was ist anders?

Die typische Antwort: Die Zugabe von Destillat. Der Ursprung war die Kellertechnik, genauer gesagt die nicht so überzeugende Keller- und Transporttechnik bis in das 19 Jahrhundert hinein. Die Entdeckung von Bakterien und die Kenntnis, was die mit der Umwandlung von Zucker in Alkohol zu tun haben war da schon sehr hilfreich - nicht alles war früher besser. Zu oft kam das, was im Süden Europas als Wein eingeschifft worden war als Essig im Norden an. Solange das nur der Ärmelkanal war, ging es ja noch an, aber dann war da der Wurm drin zwischen England und Frankreich, so dass es den Engländern damals patriotisch einfach nicht angemessen schien, den Wein beim Kriegsgegner zu kaufen. Sie haben deswegen nach einem Ersatz gesucht und im 17. Jahrhundert in Portugal gefunden. Nur eben der Transport! Aber: Oh siehe da, etwas Branntwein dazu, und es klappte. Es war gar nicht so viel notwendig: ein gutgefülltes Schnapsglas pro Liter. Es wurde nicht Literflaschenweise, sondern Fassweise exportiert, richtige Fässer, d.h. 550 Liter und da kamen 15 Liter Branntwein rein. Das wäre wohl auch so weitergegangen, wenn es nicht das Jahr 1820 gegeben hätte – der Jahrgang der Jahrgänge. Alles passte optimal. also jede Menge Zucker in den Trauben, damit hoher Alkoholgehalt plus hoher Restzucker im Wein. Das fanden die Engländer nun richtig lecker. Also mehr davon! Auch wenn der Wettergott nicht wollte, die Kellermeister fanden eine Lösung: den Brandwein nicht einfach nachträglich dazugeben, sondern ganz gezielt während der Gärung. Durch die Zugabe wird die Gärung schlagartig und gezielt gestoppt und somit für den gewünschten Restzucker gesorgt. Der Alkoholgehalt ergibt sich als Nebeneffekt dann sowieso.

Die andere Antwort, nicht so evident, ist aber auch wichtig und ebenso historisch bedingt. Dadurch, dass die Portweinherstellung von vorneherein „fremdbestimmt“ war haben sich ganz andere Strukturen ausgebildet, als z.B. in den anderen ursprünglichen mitteleuropäischen Weinanbaugebieten. In Deutschland sind wir gewohnt, Wein nach Lagenbezeichnung und Traubensorte einzuordnen, die Kelterung, Lagerung und Vertrieb liegt in einer Hand, entweder der Winzer selber oder eine Genossenschaft, alles mit starkem lokalem Bezug.

Beim Portwein tritt die Traube und die Lage, ebenso wie der Winzer vollkommen in den Hintergrund. Das Portweinhaus ist die bestimmende Grösse, zusammen mit der Art der Lagerung. Die Trauben sind dabei eher „endemische“, also nur lokal angebaute Sorten, die anderswo meist vollkommen unbekannt sind: Touriga Nacional (alt, geringe Ausbeute, schwer und aromatisch), Tinta Roriz (leichter, stabil), Tinta Barroca (Frühreif, süß, darf nicht zu viel Sonne), Tinta Cao, Touiga Francesa, Sousao, und noch einige mehr. Der Weinbauer baut seine Wein nicht selber aus, sondern liefert direkt an die Quinta oder die zentrale Annahmestelle. Was nicht heisst, dass die Portweinhäuser nicht Lagen aufgekauft haben, also eigene Quintas betreiben!

Damit steht jetzt also der arme Anfänger vor der Qual der Wahl und hat noch nicht einmal die gewohnten Dinge auf dem Etikett zum dran festhalten. Deswegen gleich die nächste Frage.

Was für Typen?

Die häufigsten Begriffe: Tawny und Ruby. Direkt aus dem Englischen zu übersetzen:

Scheint was mit der Farbe zu tun zu haben. Indirekt ja, denn die Farbe ist eine Folge der Lagerung. Die Lagerung im Holzfass verändert das Rot des Traubensaftes hin zu lohfarben (Lohe: gemahlene oder gestossen Rinde, hauptsächlich von Eiche, zum Gerben von Leder). Ruby steht für fruchtig frisch süffig und Tawny für tanninhaltig barrique.

Das sind mal die zwei Kategorien, solang es keine Abfüllung ist, die altersmässig oder jahrgangsmässig klassifiziert wird, dazu später mehr. Daneben gibt es noch (mehr oder weniger) Fantasiebezeichnungen: Finest Reserve, Founders Choise, und so weiter. Da kann man gar nicht viel zu sagen, weil es einfach nichts aussagt, weder positiv noch negativ. Eine nicht unwichtige Farbbezeichnung gibt's noch und sollte nicht unerwähnt bleiben:

Diesmal ist sie wörtlich zu nehmen: Es handelt sich um Weisswein. Sowas gibt’s auch, gut gekühlt an einem warmen Sommerabend kann das durchaus mal was Nettes sein, wird heutzutage üblicherweise dry, ziemlich trocken ausgebaut, d.h. der Branntwein kommt erst spät dazu. Ansonst was ganz anderes, bei den üblichen Preisen um und knapp über 10 Euro für neugierige Weissweintrinker durchaus einen Versuch wert.

ist auch noch wissenswert, es sagt aus, das ungefilterter Wein verwendet wird, was sich in einem festen Niederschlag, deutsch: Depot, englisch: crust, bemerkbar macht. Nicht schütteln, vorsichtig einschenken, im Glas hat das Zeug nichts zu suchen (ggf. dekantieren). Und nicht auf jedem ungefilterten Port steht crusted! Bei besseren ungefilterten Ports sogar eher nicht.

Eine Aufschrift, die man auch öfters entdeckt, lautet

hauptsächlich in Verbindung mit 10; 20; 30; 40; ... . Bezeichnet die Mindestlagerdauer im Holzfass. Womit sich schon automatisch ergibt, dass das in die Kategorie Tawny fällt. Tawny ohne Jahresangabe sind üblicherweise so 5 Jahre, mindesten 3, manchmal auch deutlich mehr gelagert. Ruby liegen darunter, oft aber auch bei 3 Jahren, die Grenze ist nicht so 100% scharf und hart. Wenn mit einer Altersangabe ** Jahre geworben und verkauft wird muss irgendwo (klein, evtl. Rückseite oder Zusatzaufkleber) auf der Flasche stehen, in welchem Jahr der Port auf die Flasche gezogen worden ist. Diese Angabe an sich ist kein Qualitätskriterium, nur evtl. ein Warnsignal, wenn der Zeitpunkt lang her und die Lagerung zwischenzeitlich sehr zweifelhaft ist (z.B. Schaufenster!!!).

Während es sich bei den bisher genannten Typen um Verschnitte aus mehrere Jahren und allen möglichen sonstigen Kombinationen handeln kann (was üblicherweise auch geschieht, um einen über die Jahre hinweg konstanten Geschmack zu gewährleisten) kommen nun die Ausführungen der Jahrgangsabfüllungen, bei denen doch starke Einschränkungen vorgeschreiben sind. Da schmeckt man dann natürlich auch mehr Unterschiede, trocken oder regenreiche, heisse oder normale Jahre.

Wieder die zwei Grundrichtung, nur heissen sie jetzt nicht mehr Ruby oder Tawny, sondern

Hier wird es jetzt ein bisschen einfacher: Colheita hat mehr Tannin als L.B.V. . Sowohl Erntejahr (üblicherweise gross vorne drauf) als auch Abfülljahr (wieder klein, ggf. hinten ...) müssen angeben sein, also kann man einfach selber ausrechnen, wie lange er im Fass war. Abgefüllt wird er, wenn der Kellermeister es für richtig hält und ihn für (trink-)fertig erklärt. Und damit kommen wir zur letzten Kategorie dieser Aufzählung, theoretisch und oft auch praktisch die "Königsklasse":

Jahrgangsport, der nur sehr kurz im Fass war und noch unfertig auf die Flasche gezogen wird. Warum füllt man unfertigen Wein auf Flaschen? Weil die Weiterentwicklung im Glas geschmacklich ganz anders und vor allem langsamer abläuft. Leider auch mit deutlichem Risiko, weil im Fass kann man leichter mal zwischen durch probieren und ggf. eingreifen. Man kann den Vintage also jung kaufen und selber reifen lassen, was wie gesagt risikobehaftet ist (bis hin zum Totalverlust) und wirklich lang dauert, nicht nur ein paar Jahre. Oder alt kaufen, was qualitativ problemlos ist, aber leider richtig teuer, ein dreistelligre Eurobetrag ist dann Standard, billigere Angebote könnten ein Indiz für eine negative Fehlentwicklung in der Flasche sein. Meine persönliche Empfehlung an Einsteiger und Anfänger, sich nicht gleich (zu sehr) bei Vintage zu engagieren.

Bevor es mehr ins Detail geht noch ein Kapitel aus dem Bereich Grundwissen:

IVDP ... ???

Abkürzung: manchmal auch IVP, oder www.ivdp.pt . P ist trivial: Porto, damit ist V auch einfach: Vinho. Um den Weg zur Bedeutung der Abkürzung abzukürzen
Instituto dos Vinhos do Douro e Porto
(Sowohl www.ivdp.pt als auch www.ivp.pt sind beide leider nur in portugiesisch.)
Das Kontrollinstitut mit der Aufgabe, aufzupassen, dass keiner pfuscht. Das hat historische Gründe. Schon um 1730 (!!!) gab es einen handfesten Skandal wegen gepanschtem Portwein, der das Vertrauen der Engländer erschütterte und zu existentiell bedrohlichen Umsatzrückgängen führte. Als Gegenmassnahme wurde 1756 die Companhia Geral da Agriculturados Vinhos do Alto Duoro gegründet. Damit wurde der gesamte Prozess in Portugal reglementiert, wirklich streng reglementiert. 1933 kam es dann zur Reorganisation und Umformierung. (Neben dem IVP entstand noch die Casa do Duro in Regua). Neben den üblichen Vorschriften was Verarbeitung, zugelassenen Anbaulagen und Mengen betrifft geht diese Zulassungsstelle noch einen Schritt weiter: Jahrgangsabfüllungen müssen individuell pro Jahr genehmigt werden, und es wird nicht jedes Jahr genehmigt. Zum Beispiel gibt es keine 1988er, basta, für zu schlecht befunden und durchgefallen (landet dann im Verschnitt).

Kurzer Einschub:
Wo leben heute die Portweintrinker? England, bzw. Großbritannien ist die falsche Antwort. Frankreich, Belgien und die Niederlande liegen vorne vor England, dann erst kommt weit abgeschlagen der Rest der Welt.

Erkenntlich ist das an jedem Portwein an der Papierbanderolle über dem Korken. Weiss mit dunkelblauer Schrift, Trauben und Kontrollnummer. So, und nun?

Wie anfangen?

Die verschiedene Portweinhäuser haben ihre eigene Handschrift, was den Ausbau und die Geschmacksausrichtung angeht (aber auch die Preise ...). Da hilft jetzt nur eines: AUSPROBIEREN. Dabei ist leider auch, wie so oft, Vorsicht geboten. Dass ein grosser deutscher Discounter seine billige Hausmarke als Barrons anbietet ist sicherlich kein Zufall, angesichst dessen, dass eines der alten Portweinhäuser Barros-Almeida heisst. Das Angebot ist in Deutschlands Läden üblicherweise sowieso nicht so überwältigend, als dass man dadurch in eine gravierende Qual der Wahl getrieben würde. Wenn man drei verschiedene Häuser vorfindet, dann hat man schon eine bessere Quelle.

Verglichen mit den einfacheren Tawny und Ruby Verschnitten sind die Mehrpreise für 10 Jährige sowie aktuelle L.B.V.s und Colheitas eher gering bis erträglich, sie liegen dann so grob um 20 Euro (+/-5). Es spricht also nicht so viel für die unterste Kategorie und man kann sich ohne grössere Fehlinvestitionen fürchten zu müssen das Spektrum schon ganz gut "ertrinken" und Erfahrungen sammeln. Schlimmstenfalls, wenn es einem nicht schmeckt, nicht wegschütten, sondern ab in die Küche damit. Dort kann man mit dem Rest, sei es aus geschmacklichem oder zeitlichem Grund, experimentieren. (Eine einmal geöffnete Flasche ein paar Tage kühl und ruhig verschlossen abgestellt sind keine Katastrophe, aber nach (über) einer Woche sollt dann schon leer sein) Tipp: Neben Dessertvarianten auch mal die Aromatisierung einer Bratensosse zu dunklem Fleisch probieren!

Zum Probieren sollte man haben:
1 Flasche Portwein – mindestens, temperiert. Raumtemperatur im mittelalterlichen Sinne, also ohne Zentralheizung, Steckdosen und fossilen Energiequellen. Also eher etwas unter 20°C. Da die Luft drumherum nun wärmer ist, bei der Temperatur der Flasche etwas vorhalten, um die Erwärmung im Glas auszugleichen. Gläser: Es gibt spezielle Portweingläser, z.B. von Riedel. Für den Anfang kann man aber mal in den Geschirrschrank schauen, ob man nicht schon was geeignetes hat. Nicht zu grosses ungefärbtes Stielglas, eher schlank als breit, am besten leicht bauchig. Man kann auch mal in etwas älteren Bestände z.B. aus Erbschaften nachsehen, die aktuellen bombastischen übergrossen Rotweingläser sind eine aktuelle Zeiterscheinung, die vormals in den Wirtschaftswunderjahren üblichen Weinglasgrössen passen schon oft gut zum Portwein. Dazu etwas Brot oder ein mild-salziges Gebäck zum Knabbern. Käse muss nicht sein, aber wer Käse mag, für den ist es schon eine ganz tolle Kombination (auch wenn man nicht
Wallace heisst - siehe Films, Classic, "A Grand Day Out").

Adressen?

Reihenfolge keine Wertung, sondern grob nach geografischer Distanz. Ansonst gilt der Disclaimer: ist unvollständig und ohne Gewähr.

Die meisten Hypermärkte in unseren westlichen Nachbarländern sind besser bestückt als ein durchschnittlicher deutscher Wein- und Spirituosenhändler.

Für Tipps, wenn jemand noch eine gute Quelle findet, wäre ich selber dankbar. Wer also was weiss bitte per eMail an mich:

(Entschuldigung, dass Anklicken nicht geht, aber ich möchte es den automatischen Adressensammlern nicht zu einfach machen. )